Wien (OTS) – Mit der Grenzgängerregelung hat die Regierung gestern
beschlossen,
Nicht-EU-Bürger:innen mit Wohnsitz und Daueraufenthaltstitel in einem
Nachbarland in Österreich arbeiten zu lassen. Was als Beitrag zum
Kampf gegen den Fachkräftemangel getarnt ist, bringt in Wahrheit
keine Fachkräfte. Die Maßnahme ist nur ein weiterer Schlag ins
Gesicht der Arbeitslosen in Österreich.
Fast zeitgleich wurde auch eine neue Saisonkontingentverordnung
für 2026 beschlossen, mit der das Saisonierkontingent angehoben
werden soll. Damit können Tourismusbetriebe insgesamt bis zu 8.000
zusätzliche, kurzzeitige Arbeitskräfte aus Drittstaaten einstellen.
Allerdings sind die Voraussetzungen für die Verordnung sind für den
Tourismus nicht gegeben. Die Gewerkschaft vida fordert die
Bundesregierung auf, ihren Entwurf umgehend zurückzuziehen.
Voraussetzung für beide neue Regelungen – die Grenzgängerregelung und
die Saisonkontingentverordnung – ist, dass die jeweilige Stelle nicht
anders besetzt werden kann.
„Diese Regelungen ignorieren die Realität des Arbeitsmarktes und
sind ein Skandal der Unsolidarität“, kritisiert Roman Hebenstreit,
Vorsitzender der Gewerkschaft vida. „Der Gesetzgeber verlangt einen
vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarf als Voraussetzung
für diese Kontingente. Angesichts von 375.000 Arbeitssuchenden in
Österreich und einer Jugendarbeitslosigkeit von 10 Prozent ist diese
Voraussetzung offenkundig nicht gegeben! Wer in dieser Lage massiv
neue Arbeitskräfte aus Drittstaaten ins Land holt, arbeitet aktiv
gegen die Senkung der Arbeitslosigkeit und damit gegen die eigenen
Regierungsziele“.
Arbeitskräfte sind keine knappe Ressource
Hebenstreit untermauert die Kritik mit ökonomischen Tatsachen:
„Der Arbeitsmarkt ist ein Markt. Bei einem knappen Angebot an
Arbeitskräften müssten die Löhne steigen. Die Tatsache, dass das
durchschnittliche Monatsnettoeinkommen im Tourismus nur bei 1.718
Euro, also unter jenem Betrag liegt, den die staatlich anerkannten
Schuldenberatungen für einen Einpersonenhaushalt als notwendig
erachten, ist der klare Beweis: Arbeitskräfte sind keine knappe
Ressource in dieser Branche! Statt Menschen in Österreich durch faire
Löhne und bessere Bedingungen als Arbeitskräfte zu gewinnen, dient
diese massive Kontingent-Erhöhung einzig dazu, Lohndruck auszuüben
und billigeres Personal zu bekommen“.
„Leibeigentum“ und fehlende Rechtsgrundlage
Die vida übt scharfe Kritik an den systemischen Fehlern der
Grenzgängerregelung und der Verordnung: „Wer schützt die
Reinigungskraft aus einem EU-Drittstaat, die in der Slowakei lebt und
über die slowakische Grenze nach Österreich pendelt, vor Ausbeutung?“
Die Saisonnierverordnung fixiere außerdem das Aufenthaltsrecht an den
Arbeitgeber: „Verliert ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz oder will
er ihn verlassen, ist sein Kontingentplatz für ihn verwirkt. Damit
sind diese Kolleginnen und Kollegen ihren Arbeitgebern im besonderen
Ausmaß ausgeliefert. Das ist ein Zustand des Leibeigentums auf Zeit,
der im 21. Jahrhundert abgeschafft gehört. Das Aufenthaltsrecht muss
mit dem Beschäftigten den Arbeitgeber wechseln können!“, fordert
Hebenstreit.
Der vida-Gewerkschafter weist zudem daraufhin auf das
rechtswidrige Balkankontingent hin: „Das Zusatzkontingent für
bestimmte Nationalstaaten des Westbalkans ist ohne gesetzliche
Grundlage und muss ersatzlos gestrichen werden“. Außerdem sei das
Saisonkontingent viel zu umfassend: „Das Kontingent sollte
Saisonbetriebe bei massiven Saisonspitzen unterstützen. Die Wahrheit
ist, dass Betriebe aller Art – auch jene, die nicht touristisch tätig
sind, nun großzügig mit billigen Arbeitskräften versorgt werden“.
Niemand kann garantieren, dass österreichische und europäische
Arbeitskräfte durch das Saisonier-Kontingent bzw. die
Grenzgängerregelung nicht benachteiligt werden.