Die tödliche Stunde: Wenn die Uhr umgestellt wird, beginnt das Sterben
Am vergangenen Wochenende war es wieder soweit: Die Uhren wurden um eine Stunde zurückgestellt, und damit begann für viele Wildtiere die gefährlichste Zeit des Jahres. Die Zeitumstellung, die für viele Menschen nur eine lästige Umstellung bedeutet, hat für die Tierwelt in Österreich dramatische Folgen. Jedes Jahr sterben tausende Wildtiere auf den Straßen, und die Zahlen sind erschreckend.
Warum die Zeitumstellung tödlich ist
Ein Blick auf die Statistik zeigt die grausame Realität: Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) kamen im Jagdjahr 2024/25 allein in Niederösterreich 27.471 Wildtiere unter die Räder. Österreichweit waren es rund 65.000 Tiere, was bedeutet, dass alle 19 Minuten ein Wildtier im Straßenverkehr stirbt. Diese Zahlen sind alarmierend und werfen die Frage auf, warum die Zeitumstellung so verheerende Auswirkungen hat.
Wildtiere folgen ihrem natürlichen Rhythmus und sind sich der menschlichen Zeitumstellung nicht bewusst. Wenn es früher dunkel wird, sind sie genau dann aktiv, wenn der Berufsverkehr seinen Höhepunkt erreicht. Diese Kombination aus Dunkelheit und hohen Verkehrsaufkommen ist für Rehe, Hasen und Füchse tödlich. Martin Aschauer, Sprecher von Tierschutz Austria, warnt eindringlich: „Die Zeitumstellung bedeutet für Tiere keine Anpassung – sie folgen ihrem natürlichen Rhythmus. Doch plötzlich herrscht genau dann Berufsverkehr, wenn Rehe, Hasen oder Füchse aktiv sind. Das ist eine tödliche Kombination.“
Historische Hintergründe der Zeitumstellung
Die Zeitumstellung wurde ursprünglich eingeführt, um Energie zu sparen. Während des Ersten Weltkriegs führten viele Länder die Sommerzeit ein, um das Tageslicht besser auszunutzen und Energie zu sparen. In Österreich wurde die Sommerzeit erstmals 1916 eingeführt. Die Idee war, durch die Verlängerung der Tageslichtstunden den Energieverbrauch zu reduzieren. Doch die Welt hat sich seitdem verändert, und die Argumente für die Zeitumstellung sind heute umstritten.
In den letzten Jahren gab es immer wieder Debatten über die Abschaffung der Zeitumstellung. Viele Menschen klagen über gesundheitliche Probleme durch die Umstellung, und auch der Nutzen für die Energieeinsparung wird zunehmend in Frage gestellt. Für die Tierwelt ist die Zeitumstellung jedoch nicht nur lästig, sondern kann tödlich sein.
Vergleich mit anderen Ländern
Nicht alle Länder stellen ihre Uhren um. In Russland beispielsweise wurde die Zeitumstellung 2011 abgeschafft, nachdem Studien gezeigt hatten, dass die gesundheitlichen Nachteile die Vorteile überwiegen. Auch in Island gibt es keine Zeitumstellung, da die geographische Lage das Tageslicht ohnehin beeinflusst. In der Europäischen Union wird seit Jahren über die Abschaffung der Zeitumstellung diskutiert, doch bislang konnte keine Einigung erzielt werden.
Konkrete Auswirkungen auf Bürger und Tiere
Für Autofahrer bedeutet die Zeitumstellung erhöhte Vorsicht. Besonders in waldreichen Gebieten und entlang von Feldern ist die Gefahr groß, dass Wildtiere plötzlich die Straße überqueren. Die Statistik zeigt, dass fast die Hälfte aller Wildunfälle mit Personenschaden bei schlechten Lichtverhältnissen oder in der Dämmerung passiert. Im vergangenen Jahr wurden allein in Niederösterreich 122 Menschen bei Wildunfällen verletzt.
Die Folgen für die Tierwelt sind verheerend. Neben den bekannten Opfern wie Rehen und Hasen verunglücken viele Tierarten, die nicht dem Jagdrecht unterliegen, wie Igel, Vögel, Katzen oder Amphibien. Laut Schätzungen könnten es tatsächlich bis zu 100.000 Tiere pro Jahr sein, die im Straßenverkehr verenden. Diese unsichtbaren Opfer sind in den offiziellen Statistiken oft nicht erfasst.
Experten fordern Maßnahmen
Tierschutzorganisationen wie Tierschutz Austria fordern verstärkte Aufklärung in Fahrschulen und den Einsatz moderner Wildwarnsysteme. „Wildtiere haben keine Uhr – aber wir können vorausschauend handeln“, betont Aschauer. „Wer langsamer fährt und aufmerksam bleibt, hilft mit, tausende Tierleben zu retten.“
Moderne Wildwarnsysteme könnten helfen, Unfälle zu vermeiden. Diese Systeme erfassen Bewegungen von Tieren in der Nähe der Straße und warnen Autofahrer rechtzeitig. In einigen Ländern sind solche Systeme bereits im Einsatz und haben zu einem Rückgang der Wildunfälle geführt.
So vermeiden Sie Wildunfälle
Um Wildunfälle zu vermeiden, sollten Autofahrer einige wichtige Regeln beachten:
- Reduzieren Sie Ihre Geschwindigkeit, besonders in der Dämmerung und nach der Zeitumstellung.
- Fahren Sie bremsbereit und halten Sie einen Sicherheitsabstand.
- Wenn ein Tier auftaucht, bremsen Sie, blenden Sie ab und hupen Sie mehrmals – weichen Sie nicht aus!
- Beachten Sie Nachzügler: Rehe, Hirsche oder Wildschweine sind selten allein unterwegs.
Kommt es dennoch zu einem Unfall, sollten Sie folgende Schritte befolgen:
- Sichern Sie Ihr Fahrzeug mit Warnblinkanlage, Warndreieck und Warnweste.
- Berühren Sie verletzte Tiere nicht, sondern verständigen Sie sofort eine Wildtierhilfe oder Tierrettung in Ihrer Nähe.
- Verletzten Wildtieren dürfen auch Privatpersonen helfen, da Tierärzte eine gesetzliche Hilfeleistungspflicht haben.
- Melden Sie den „Tierschaden“ der Polizei, aber erst nach Abklärung der veterinärmedizinischen Hilfe, da die Polizei in der Regel die Jägerschaft ruft, die das Tier oft tötet.
Zukunftsausblick: Was muss sich ändern?
Die Diskussion um die Abschaffung der Zeitumstellung wird weitergehen. Für die Tierwelt wäre eine Abschaffung sicherlich von Vorteil. Doch auch ohne eine Änderung der Zeitumstellung gibt es Möglichkeiten, die Situation zu verbessern. Mehr Aufklärung, moderne Technik und eine Anpassung der Geschwindigkeit in bekannten Wechselzonen könnten dazu beitragen, die Zahl der Wildunfälle zu reduzieren.
Die Politik ist gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die sowohl den Tierschutz als auch die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer verbessern. Die Einführung von Tempolimits in kritischen Bereichen und der flächendeckende Einsatz von Wildwarnsystemen könnten dazu beitragen, das Leben von Tier und Mensch zu schützen.
Die Zeitumstellung wird auch in Zukunft ein kontroverses Thema bleiben. Doch solange sie besteht, müssen wir alles tun, um die negativen Auswirkungen zu minimieren. Denn jede Fahrt durch die Dämmerung ist auch eine Fahrt durch den Lebensraum zahlreicher Wildtiere. Achtsamkeit und angepasste Geschwindigkeit können Leben retten – sowohl das der Tiere als auch das der Menschen.